4 – Von Saunen, Zügen und Streifenhörnchen

Zu Chuseok nach Chuncheon mit dem Chu-Chu-Train

Chuseok-Ferien, Tag 9. Moment. Nein, tatsächlich erst Tag 3, sagt der Kalender. Aber heute ist doch… stimmt, erst Samstag. Aber so viel geschehen.

Los ging es in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag. Um 3 Uhr war endlich wieder Raiden angesagt. Eine Stunde zum Nichtvergessenwerden und zum Nichtvergessen. Noch ein bissel Solospiel und dann schlafen gehen.

Ausschlafen – ein Luxus! Selbst die Wochenenden ließen es nicht immer zu. Immer was los. Jetzt war es Donnerstag und ich hatte keinen Plan. Hmm, verreisen heute ist aussichtslos, die Koreaner sind selbst am Verreisen und die Bahnhöfe und Flughäfen sind voll. Es sind die Hauptfeiertage in Korea. Erntedank, wo man die Großeltern auf dem Lande besucht und überteuerte Geschenke mitnimmt.
Also warum nicht das tun, was ich mir vorgenommen hatte für meine Koreazeit 2.0 – Saunen sammeln, Djimjilbangs erkunden, 50+ Saunen sollen es in den 2 Jahren werden. Ja, perfekt für so einen angefangenen Tag! Um 15 Uhr schaffe ich es aus dem Haus, habe in Hongdae, DEM Studenten-/Ausgehviertel, eine 24h-Sauna (meist sind das Djimjilbangs) entdeckt. Halbe Stunde, mit der U-Bahn gut zu erreichen. Hongik Station raus. Zum direkten Einchecken ist es zu früh, denn wenn man einmal bezahlt hat, kommt man nicht wieder raus (ohne erneut zu bezahlen).                    


Essen gehen, ja, das klingt gut. Ich suche mir ein Restaurant, wo niemand isst, was aber gemütlich aussieht. 30.000 Won (knapp 21 Euro) kostet ein Essen hier (die kleine Portion). Egal – ich hab Ferien. Es ist eine tiefe, heiße Pfanne auf dem Tisch mit gemischtem Schweinefleisch und Kalmar, viel Grün oben drauf und ’ner heißen Gasflamme darunter. Es beginnt zu kochen und das Wasser verdampft. Ich soll mischen. Es wird immer weniger Sauce. Ich kippe heimlich Wasser nach – so bleibt ein wenig von der leckeren Brühe. Das Wasser verdampft. Ich stelle die Flamme runter. Irgendwann bemerkt die Adjumma mein Werkeln und stellt an meinem Tisch zunächst die Flamme wieder hoch, um dann die Brühe abzuschöpfen. Eine Mischung aus Puntern und Armer-dummer-Ausländer-macht-Blödsinn-Verständnis kommt aus ihrem Munde und ich sitz doof dabei. Aha, das muss also „einbrennen“. Wieder was gelernt. Aber ich habe dadurch eine schöne extra Suppe aufm Tisch. Ich bin nach dem 2. Kelly schon dicht und dann irgendwann auch satt. Außerdem stieren Leute auf meinen Tisch – mittlerweile ist der Laden proppevoll, kein Platz mehr frei, draußen steht ne Warteschlange. Will mal nicht so sein und mache dem Platz frei. Jetzt bin ich sauna-ready.

Die Hongdae-Sauna ist gleich um die Ecke, im Keller eines Hochhauses auf 2 Etagen. Eintritt kostet 14.000 Won, das sind zurzeit 9,77 Euro. Guter Preis, kann man nicht meckern.

Ich erkunde erstmal nur die Sauna, also den Feuchtbereich. Nun ja, da ist nicht viel. Gerade eine Sauna, 85°C, aber trocken. D.h. zu kalt für „trocken“. Ins Schwitzen kommt man da nicht so schnell. Die Wasserbecken sind auch nix – gerade mal zwei Stück, eins kalt, eins warm. Beide sehr schmal, wenn vier Mann drinliegen, sindse voll. Bei dreien müsste man drübersteigen, nää, das probiere ich nicht aus. Mal hoch ins Djimjilbang. Hmm. 4 Räume. Eisraum, Erdraum, Finischraum (ist nicht in Betrieb), Backsteinofenraum (Bulgama). Keine Sitzmöglichkeiten außer den drei Massagesesseln. Doof. Ich wollte doch ein bissel was am iPad schreiben. Nee, das wird nix. Im Schlafraum ist es eng, tiefe Decke und vor den einzigen Steckdosen liegen schon Leute. Da kann ich nix aufladen. Neben den Massagesesseln ist ein schmaler, dunkler Streifen, da lege ich meine Schlafmatten hin. Fußmassage für 20 Euro lass ich mir noch geben, dann hinlegen. Ah, es gibt Bier. Kleine Büchse 4000 Won (2,80 Euro). Egal, Adjumma, gib mir drei! Ich hab Ferien!
Auf dem iPad finde ich einen Film, „Magical Mystery“ von Sven Regener. Passt. Schicke Chrischan noch ’n Foto, dann Film. Gegen halb eins fallen mir die Augen zu, Zähneputzen, pullern und ab ins Bett. Oder halt auf die Matte.

Um 4:22 Uhr ist die Nacht vorbei. Alarmsirenen verhindern das Weiterschlafen. Alle schauen lethargisch und verschlafen durch die Gegend, Alarm will hier jetzt keiner. Meine inneren Alarmglocken schrillen aber auch, das ist gleich 2x Alarm und den sollte man nicht ignorieren. Bei dem Fährunglück der „Sewol“ damals wollte auch keiner Alarm   haben, selbst als das Schiff schon Schlagseite hatte, kam noch „alles nicht so schlimm“ über die Lautsprecher. 304 Menschen haben danach nie wieder einen „Fehlalarm“ erleben können.
Ich packe meine Sachen zusammen und bin gerade im Feuchtsaunabereich bei den Umkleiden angekommen, als Feuerwehrleute in voller Montur nach dem Feuer suchen. Ich bin schnell draußen. Zwanzig Feuerwehren stehen in den Straßen ringsum – es ist halt ein Hochhaus! Aber kein Feuer. Egal – „Better safe, than sorry“ – „Lieber auf Nummer Sicher, als am Arsch!“

Wat nu? In der Gegend war doch noch eine 24er. Mal sehen. Naver sagt, nur knapp einen Kilometer entfernt. Ein schöner morgendlicher Spaziergang durch das menschenleere Hongdae, durch einen grünen Pfad mit Bächlein, der früher wohl mal ne Bahnlinie war, ab und zu liegen noch Schienen auf/in dem Weg.   

Die Sauna hier – Oseong Sauna – das ist ein ganz anderes Kaliber! Sieben Becken allein im Feuchtbereich (Pavillonbecken 41°C, sehr kaltes Becken 18°C, kaltes 25°C, Schwefelbecken 41°C, Massagebecken 40°C, Warmbad 41°C und ein Heißbad mit grandiosen 44°C!) im Trockenbereich dann drei verschiedene Backofensaunen (Natural Jewel, Charcoal Earth, Heißbackofen), Eisraum (Alps Charcoal), Gold Charcoal, Forest Room), Kinderspielplatzraum (mit Tür 😉 Snackbar, Restaurant und Eintritt nur 11.000 Won (7,70 Euro)! Hier hätte ich gleich herkommen sollen! Oh, kein Schlafraum… Egal, neben eine Säule gelegt, Handtuch über die Augen – zweiter Schlaf. Als die offizielle Schlafzeit um 9:00 Uhr vorbei ist, gibt es eine laute Durchsage, aber ich habe Ferien und schlafe weiter. Um halb 12 setze ich mich ins Restaurant und esse die saunatypische Algensuppe „Miyeok-Guk“. Dabei mache ich weitere Pläne. Würde ja gerne nach Chuncheon. Da soll man in diesen schwimmenden Anglerhütten, die ich aus einem koreanischen Horrorfilm kenne, übernachten können. Das wollte ich damals schon machen und hatte aber keinen Ort gefunden, wo das ging. Bzw. es war keine Zeit mehr. Das Schöne/Besondere: Man wird hingefahren mit dem Bootchen und ist dann da draußen auf dem See alleine in der Hütte. Perfektes Refugium! Okay, das klingt gut. Nach Chuncheon kommt man mit der U-Bahn. Letzte Station Richtung Nordosten. Kostet also nicht die Welt. Unter 3 Euro für die Fahrt!

Also auf, kurz nach Hause in Huam Dong, Sachen packen und direkt ab. Naver zeigt mir komische Verbindungen mit 3-4x umsteigen, dabei kann ich einfach in der U-Bahn sitzen bleiben! Tu ich auch. Ich sitze dann in einem Waggon mit „schwacher Klimaanlage“, extra ausgeschildert – für Leute, die das bevorzugen. Meiner Meinung nach könnten sie ALLE Waggons so belüften wie diesen, das sparte eine Menge Energie und man kommt nicht als Eiszapfen an!

In Cheongnyangni muss ich die Linie wechseln. Finde sie nicht. Folge den Schildern und steige nicht mehr durch. Verwirrende und mehrdeutige Hinweise auf die Verbindungen zu drei verschiedenen Zugarten bringen mich dazu, am Ticketschalter nachzufragen. Ja, es gibt sie noch. Zumindest hier, nicht nur Automaten! Ich fühle mich alt, aber nach der Auskunft sehr schlau!
Mit der U-Bahn könnte man fahren, kein Sitzplatz garantiert und so 2h. Der ITX braucht 1h, hat aber nur noch Stehplätze. Eine Stunde stehen? Nö. Lieber dann später fahren, kostet 6,20 Euro. Eine Stunde Zeit, Odeng und Auntie Annies Brezelsticks, Kaffee und etwas Teigiges. Zug kommt um die gleiche Zeit an wie die U-Bahn, aber ist bequemer, mit Sitzplatz und vor allem: mit Klo! Ich schaffe es, mein verschwitztes Hemd zu wechseln (ich schwitze hier seit 2 Monaten immer und überall, nicht nur in der Sauna!) und am Platz aufzuhängen, wo es ein wenig trocknen kann. Es riecht nicht sonderlich schlimm und trocknet tatsächlich etwas. Zum Planen komme ich, trotz der Stunde Zeit, nicht wirklich. Erstmal ankommen.

Endstation des Zuges – Chuncheon. Schon am Bahnhof merkt man, dass man nicht mehr in Seoul ist. Kann es nicht greifen, aber das Gefühl ist da. Anderer Geruch, anderes Tempo…
Taxifahrer schauen, aber sprechen mich nicht an. Ich bin der einzige Ausländer hier. Ich gehe zielstrebig nach rechts die Straße entlang, sehe rechts ein Motel (jo, ich will jetzt keine Djimjilbangs suchen!) und merke nach 200-300m, dass man nicht mehr auf die andere, die Flussseite kommt, die Bahnschienen liegen dazwischen. Zurück zum Bahnhof, Überführung, andere Seite Fahrstuhl, schnurstracks Richtung Motel. Oh, es sind zwei, sehen beide gleich aus. Hab keinen 24h-Laden gesehen, gehe mal noch ein bisschen weiter. Ah, ein 25er-Laden (Wie heißt der richtig? GS 25 oder so?) in Sichtweite. Zurück. Gebe dem „Underdog“-Motel eine Chance, denn das „W-Motel“ glitzert und blinkt so überheblich vor sich hin. Zwei koreanische Athleten (keine Ahnung, welche Sportart) übersetzen mein Anliegen und ich bekomme ein Zimmer im 5.Stock für 50.000 Won (ca. 35 Euro). Ein Blick und ich gehe rückwärts wieder raus: Das Fenster ist Attrappe, alles zu von innen, nur ein schmaler Streifen Licht, kein Tisch, nur Bett. Nää. Mal nebenan im „W“ schauen. Getan! Zurück. Unten kommen gerade 2 neue Gäste an, einer kann Englisch und ich lüge, dass ich im falschen Hotel bin, meine Freunde kämen morgen und die wären dann nebenan im „W“! Ich rechne nicht damit, mein Geld wieder zu bekommen, bekomme es aber! Mianhamnida, sorry sorry, wieder so ein Puntern und „Dummer-Ausländer-Ton“, aber ich hab mein Zeug und bin ruckzuck nebenan im Haus. Zimmer mit Ausblick. Zwar nur die Hälfte nutzbar und die Balkons dienen nur zur Klimaanlagenablage, aber es steht ein kleines Tischchen am Fenster und man hat einen tollen Blick auf die bunt beleuchtete Brücke und den Fluss! Hier bleibe ich. Die Frau unten ist jünger und netter, ließ mich vor der Entscheidung ein Zimmer ansehen. Zwar ist dieses 10.000 Won teurer, aber es ist es wert!
Es ist noch nicht so spät und ich schaue mal, ob die vielen Lichter, die ich draußen sehen kann, zu einem Restaurant gehören. Also runter und drauf zu. Es sind leider nur zwei Cafés, sehen aber gut aus. Ich mache ein paar Fotos am Fluss, von der Brücke, den Cafés, der nächtlichen Landschaft, hole mir einen Kaffee und setze mich kurz aufs Dach. Schön hier!
Auf dem Weg zurück komme ich an einem Möbelladen vorbei, hole mir zwei Kuscheldecken für meine Couch in Seoul und dann noch 1-2 Bier, etwas Kaffee und Frühstücksramyeon aus dem 24h-Laden und setze mich ans Fenster. Etwas Gescheites kommt nicht dabei heraus. Tagebuchschreiben ist da schon das sinnvollste. Nebenbei plätschern YouTube-Videos, die größten Zeitkiller überhaupt.

Am nächsten Morgen: Was macht man denn hier so? Lonely Planet aufm iPad raus, kurze Recherche, ja, Cable Car! Die längste in Korea. War zwar schonmal auf der längsten in Korea, aber da gab es die hier wohl noch nicht. Oder ich hab was missverstanden. Egal. Da es gerade 11 Uhr geworden ist, möchte ich der Frau unten zuvorkommen und noch schnell sagen, dass ich eine weitere Nacht bleiben möchte. Geht klar, bezahlt, rausgesuchte Wanderstrecke eingeschlagen. Ich habe Ferien und dadurch genug Zeit zum Wandern. 3km oder so bis zur Seilbahnstation. Ein Taxi bestelle ich mir nicht, denn mit meiner App… – TAXI! Es hält und ich wandere nicht mehr. Angekommen an der Seilbahnstation bemerke ich meinen Denkfehler: Chuseok, Cable Car, keine gute Kombi. Meint die 50m-Schlange vor dem Tickethäuschen jedenfalls. 2-3h Warten – nää, darauf habe ich nun auch keine Lust! In der Zeit kann ich wandern gehen! Zu diesem Berg, wo die Seilbahn hinfährt, kann man auch laufen. Ein paar Kilometer sind das zwar, aber ich habe Ferien und damit Zeit.


Naver zeigt mir schon wieder ’ne komische Strecke an, ich nehme den Fußgänger- und Fahrradweg, der genau am Flussufer entlang führt. Schöner Weg, nicht voll, nur am Rand voll mit diesen gelbgrünschwarzen großen Spinnen. Hunderte! Nach einer Weile erinnere ich mich an meine 360°-Kamera. Ein perfekter Zeitpunkt für ein halbstündiges „Just Walking – Einfach gehen“- 360°-Video! Es fängt leicht an zu nieseln, aber die Kamera und ich bekommen kaum etwas ab. Uiii, der Weg zieht sich ganz schön! Sah auf der Karte nicht so weit aus… Einige Fahrradfahrer sind unterwegs, ich gehe links, um sie kommen zu sehen. Ständig geht die Kamera aus! SD-Karte zu langsam! Habe alle getestet und viel schnellere gibt es nicht! Die hat die gleiche Schreibgeschwindigkeit wie die SD-Karten, die INSTA selbst anbietet! Nun denn, das Video wird dann halt etwas länger. Falls die abgebrochenen Aufnahmen noch funktionieren! Bei den Itaewon-Aufnahmen letzten Monat war das nicht der Fall. Oder halt etwas kürzer. Hauptsache funzendes Video!

Ich bin am Berg angekommen. Der erste Aufstieg (es gibt mehrere), es sitzen ein paar ältere Frauen in Wanderklamotten vor dem Eingang und sehen ganz frisch aus. Kann dann ja nicht so schwer sein der Aufstieg. Und wenn, dann fahr ich halt mit der Seilbahn wieder runter, dann spare ich mir das Gewandere!
Recht kleiner, unscheinbarer Eingang zur Treppe, kostenlos, niemand im Tickethäuschen (würde 2000 Won kosten). Hmm, ne Flasche Wasser hätte ich gerne noch gekauft, hier gibt’s aber keine. Egal, los geht es!
Die Treppe ist echt anstrengend! Hohe Stufen, viele Höhenmeter schon zu Beginn des Aufstieges. Dann hören die Treppen auf. Die Steigung bleibt. Nicht viele Leute kommen mir entgegen. Schon nach 200-250m muss ich verschnaufen. Das Haus, was man von der Straße unten im Berg sehen konnte, ist erreicht und ich schnaufe. Die 360°-Kamera läuft den ganzen Anstieg schon. Moment – das ist das Haus, was „unten im Berg“ stand?! So weit bin ich erst?! Na, das kann ja heiter werden. Aber wird es nicht. Nur steiler. Einen Weg kann man längst nicht mehr erahnen, ab und zu glänzt ein viel begrapschter Baum und verrät, dass schonmal jemand hier war. Oder die Steigtritte (!) sind irgendwo rechts oder links von der aktuellen Position zu sehen und weisen stumm darauf hin, dass man gerade nicht in der besten Spur kraxelt!
Dann – ein Tempel! Schön, nicht viel, aber eine Wasserschöpfstelle! Und ne geile Aussicht! Wasser trinken, und weiter. Oftmals muss ich innehalten und mich fragen, wo der Weg ist. Egal. Nach oben! Die Kamera läuft – hab ich das jetzt mit der Wegfrage laut gesagt? Ja. Egal. Ich schwitze. Verschnaufe, stöhne, versuche, die Knie gerade arbeiten zu lassen. Mittlerweile kann ich die Kamera nicht mehr stabilisieren, da ich beide Hände zum Weiterkommen brauche. Felsen. Wo ist der Weg? Jetzt einen Schluck Wasser… Luft holen, weitergehen. Weiterhangeln, weiterziehen, weiterfragen, weiterschwitzen, nach oben, nach links, nach oben, nach rechts. Wie lange bin ich im Berg? 27min seit der Hütte. Ich sehe den Weg nicht. Felsen. Wenn ich erstmal oben bin, dann fahre ich mit der Seilbahn wieder runter, soviel steht schon fest!
Ein schwarzer Rabe oder eine Krähe sitzt auf einem Baum. Ist es wirklich schon so weit? „Schwarzer Rabe“ kommt mir in dem Sinn und ich muss an den Ukrainekrieg denken. Ich rutsche ab und bin wieder voll bei der Sache! Mist, Knie verdreht. Felsen. Eine Treppe! Boah, ist die steil! Oben steht einer. Keine Schwäche zeigen! Zackzackzack, bin ich oben. Der nette Herr spricht mich an. Sein Englisch wird immer besser, je länger er redet. Nach kurzer Zeit weiß ich, dass er auch mal in Huam Dong gewohnt hatte, in der Nähe meiner „Stammsauna“, dass er bereits über 1000 koreanische Berge bestiegen hat, dass er 62 ist und dass er diesen hier definitiv NICHT noch einmal besteigen wird! Und er ist auf dem Weg nach UNTEN!! Oh, was habe ich mir da angetan?! Es geht weiter. Wo ist der Weg? Felsen. Da sind Leute. Wieso sind die soweit links von mir? Ah, hier geht es nicht weiter, ich bin falsch. Steigtritte. Hier geht es lang. Ein Seil. Da lang. Dahinten ein anderes Seil, ich bin falsch. Felsen. Ein Wegweiser. Ich habe 200m geschafft. NUR 200? Argh, ich schwitze. Die Kamera geht wieder aus. Na, das wird ein Video. Ausgerutscht! Konzentration, Kay! Ich habe Durst. Ich höre Stimmen! Echt oder eingebildet? Echt! Auf dem nächsten Flachstück sitzt eine Gruppe Koreaner und ist fröhlich. Ich kann nicht verstehen, wie man am Berg Soju trinken kann! Aber sie haben Wasser und bieten mir, als ich vorbeikomme, getrocknete Pfirsichstückchen an. Ich nehme dankend an und kann leider nicht auf ihre Fragen antworten, wünsche noch ein schönes „Chuseok chal bonnesseo!“ und weiß nichtmal, ob man „Chumal chal bonesseo!“ , also „Ein schönes Wochenende!“, einfach so auf Chuseok übertragen kann. Man sagt ja auch nicht „Gute Weihnachten!“, aber „Gute Nacht!“ Egal, weiter. Die Pfirsichstücke sind köstlich und ich verspüre für den Moment keinen Durst. Kaum außer Hörweite und der Weg ist wieder weg. Beziehungsweise es gibt drei Möglichkeiten, wo er sein könnte. Ich nehme die rechte und die ist fast richtig. Das bemerke ich an dem Seil, was ca. 5m links neben mir im Berg fixiert ist. Ah, da wusste jemand, dass Leute auch rechts langgehen – es gibt Steigkrampen, die die Wege verbinden! Woah, hier abrutschen und es geht tief. Inklusive Bruchs von irgendwas. Felsen. Hätte ich doch nur etwas zum Trinken… Jetzt artet es aus – zum Bergsteigen. Ich wickle meine Tasche so um das Kamerastativ, dass die Kamera nicht aufschlagen kann, wenn ich mich nach Greifmöglichkeiten bücke oder an einen Baum hänge. Der Bildqualität halber hab ich die Schutzlinsen, ähm die Linsenschutze abgemacht. Spinnweben hängen auf beiden Linsenseiten. Still stehenbleiben. Tuch raus, Linse putzen. Alles fixieren. Hoffentlich wird die Aufnahme etwas! Aaaaaaachtung, Gleichgewicht finden. Wieder Adrenalin. BLEIB BEI DER SACHE, KAY!! Rechts oder… nein links ist ein Weg. Ein Weg!! Ich höre Kinderstimmen. Der nette Herr hatte mir empfohlen, auf der anderen Seite runter zu gehen, das wäre einfacher. Ach so, es gibt übrigens keine Verbindung zur Cable Car, man kann, wenn man auf den Wanderwegen hochgeht, nicht mit der Seilbahn runterfahren… Aber Kinderstimmen bedeutet – die Leute sind von der anderen Seite hoch gekommen! Meine Motivation steigt und die Oberschenkel sind vergessen und da ist sie: Die Treppe zum Gipfel! Na ja, oder fast, jedenfalls ist das hier das, weshalb man herkommt und die geile Aussicht genießt! Die Familie ist laut, aber das stört mich nicht. Ich bin da, dem Gipfel nah. Nur noch ein kleiner Höhenweg – what the FUCK: Auf der einen Seite schön gemütlich, mit anlehnen an den Fels und mit Stahlseil zum Festhalten und hinter dem Felsen – 200m direkt runter! Glatter Felsen! Mir wird schwummrig – hier möchte ich nicht sein. Das Podest auf dem eigentlichen Gipfel (oder nur Aussichtspunkt, mir sowas von egal!) ist erreicht und bietet scheinbare Sicherheit. DAS ist definitiv NICHTS für schwache Nerven!
Ich muss sagen: Das war der schwierigste und gefährlichste Berg, den ich in Korea und überhaupt jemals bestiegen habe! Und der war jetzt nur so 650m hoch. Aber die Anstrengung und der (teilweise nicht vorhandene) Weg waren das Schlimmste! Will ich nicht nochmal machen! Nächstes Mal wird besser im Detail recherchiert!

Der Abstieg ist easy! Am Anfang wie ein Waldspaziergang, recht flach. Das Gefährlichste jetzt sind lediglich die Kastanien, die reif von den Bäumen fallen! Ich begegne einem Ehepaar, welches mir ein Apfelstück anbietet. Ich nehm an. Auch den traditionellen Keks dazu. Das ist das Leckerste, was ich in letzter Zeit gegessen habe!
Ich werde übermütig. Überhole Absteiger, habe einen flotten Schritt drauf. Zack, liege ich im Dreck! Nur kurz, egal, hat keiner gesehen! Weiter geht es über Stock und Stein und rutschhhhhhhige Wurzeln. Zack! Diesmal hat es einer gesehen. „Alles okay!“ Weiter. Achtung, ein Streifenhörnchen läuft über den Weg! Es wird feuchter. Zonk – eine Kastanie schlägt auf meinem Nacken auf, gerade, als ich ein koreanisches Mädchen überhole! Sie hört es! Oh! Egal, weiter. Nackenreiben. Ein kleiner grünbunter Frosch hüpft über den Weg. Moos auf den Steinen. Oder schon Algen? Wasser! Ein Streifenhörnchen mit einem grünbunten Frosch im Maul läuft über den Weg. Hmm? Weiter, zack zack, abwärts führende Treppen – pff, mach ich rückwärts! Ein grünbunter Frosch mit einem Streifenhörnchen hüpft … ich glaube jetzt wirklich, dass ich ein Wasser brauche! Ich hazuliniere! Treppen. Menschen. Eine Hütte. Ich hab kein Bargeld. Karte nehmen die hier oben bestimmt nicht. Eine Familie. Ausländer. Es kann nicht mehr weit sein. Noch eine Treppe, mit Stahlgitter überdacht. Ein Haus. Noch ein Haus. Zivilisation! Eine Adjumma bietet mir etwas an, ich zeige ihr meine Kreditkarte. Natürlich wird die akzeptiert! Wasser, Cola, Pocari Sweat wegen der Ionen, drei Tücher für den Kopf – ich habe es überlebt!

Die Karte zeigt mir, dass ich jetzt auf der anderen Seite des Berges bin. Boah, jetzt noch so viele Kilometer laufen! Egal, ich habe Ferien und es ist flach! Mein Knie macht sich bemerkbar. Jetzt! Ich folge der Straße auf dem Fußweg. Der endet. Wat nu? Rechts ab, das andere wird zur Autostraße. Ein Fahrradweg. DER um den Stausee? Egal. Da lang. Nach 2km sehe ich, wo ich bin. Ach du Scheiße, hier erst! D.h., jetzt muss ich noch 13km… TAXI!!! Tatsächlich erwische ich im Augenwinkel das rote „Dieses-Taxi-ist-frei-und-auf-der-Suche-nach-Kunden“-Leuchtzeichen und bin überglücklich, dem Fahrer verkünden zu dürfen, dass er mich nach Myeongdong, Downtown Chuncheon fahren darf!

Nie habe ich eine Taxifahrt so genossen wie diese! Ach, Fahrer, fahre er mich doch bitte in diese „Spicy Stir Fried Chicken Straße“, die Naver mir hier anbietet.
„Dakgalbi Alley“, wie es hier auf Englisch an der Straße heißt, ist wirklich genau das: Eine Straße, mehr so ein Ypsilon, wo fast jedes Restaurant ein Dakgalbiladen, also Gebratenes-Hühnchenrestaurant ist. Zwei Fahrradfahrer rufen sich auf Englisch zu: „Hey, lass uns da reingehen, wo viele Leute sind, das muss gut sein, oder?!“ Ich dagegen gehe auf den einsamen Mann zu, der vor seinem Restaurant steht und keinen Kunden hat, während andere Schuppen voll sind! Das verstehe einer – die haben buchstäblich ALLE das gleiche Essen…
Nun denn, ich bin da, frage nach Adjumma-Musik (während der Besitzer eher Heavy Metal hört), und ich bekomme mein Essen. Das ist gut, ich muss ab und zu mal nachfragen (er ist nicht so „auf Zack“, vielleicht hat er deshalb kaum Gäste) und er ist so „nett“, mir deutsche Popmusik vorzuspielen. Er glaubt, dass mir das gefällt und ich spiele mit. Aber nur drei Lieder lang, dann will ich Adjumma-Humpta-humpta! Das ist so, als würde man einem Koreaner in Deutschland im gutbürgerlichen Restaurant K-Pop vorspielen, obwohl der sich deutsche Volksmusik (oder volkstümliche Musik) gewünscht hat!

Es regnet leicht. Ohne Schirm gehe ich los und muss feststellen, dass zwei Saunen geschlossen und auch nicht wirklich 24h lang offen haben. In einem Restaurant frage ich nach dem Klo, darf, und dann geht es weiter. Eine Chance ist noch und die ist ein Volltreffer! Ein echtes, großes Djimjilbang! Auf drei Etagen mit eigenem Parkplatz unten. Eintritt ohne Schlafen – 11.000 Won!
Der Abend ist gerettet! Schnell finde ich mich zurecht und koste zwei der drei Saunen 55° (müsste feucht sein, isses abba nich), 60°C (feucht, gut) und 90°C (trocken, prima) gut aus. Dazu die fünf funktionierenden der sechs Becken – kalt, 20°C (sehr kalt war leer), Massage 36°C, Pavillon 37°C, warm 39°C und heiß (43°C) – perfekt! Im Massagebecken später noch Hemd eingeweicht und danach fast getrocknet, aber zuvor Djimjil überprüft. Alles da, kann man drin Zeit verbringen. Sogar mit Gym und PC-Bang (wenn auch nur 2 PCs). Besonderheit: traditionelle Holzkohlenofensauna, eine traditionelle koreanische Erfindung (erster von alle in die Welt!).

Knapp 2h bin ich wohl drin und dann auf den 2km-Heimweg. Unterwegs gibt es noch eine Festivität, die ich auch mitnehme mit scharfem Odeng (mit Bohnenkeimen), gezapftem Bier („saeng mektchu“) und ein paar Bechern fürs Motel, weil es da nur Medikamentenbecherchen gibt. Noch beim 24er/25er-Laden gehalten, Bier rein, Zimmer, schreiben.

Morgen werde ich wohl wieder nach Seoul reisen. Abendkino und dann eigenes Bett klingen verlockend!
Mit dem ITX. Wenn ich nen Sitzplatz bekomme. Aber dann bis zur Yongsan Station, ohne Umsteigen. Und pennen aufm Weg.

So wie jetzt.

Ach ja – Anglerhütten auf dem See hab ich nicht gesehen und auch nicht danach gefragt. Ein anderes Mal.

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