Teil 1: Raus aus Seoul

Seoul und Korea, das ist wie New York und USA, wie Berlin und Ostdeutschland: Befindet sich zwar da, ist aber eine komplett andere Welt. Zunächst mal – weniger Ausländer. Auch wenn ich Ausländer als Teil meines Lebens (hier) akzeptiert habe, es ist schön, der einzige zu sein. Inklusiver Blicke und Getuschel. Denn ich lebe ja, trotz nicht vorhandener Sprachkenntnisse, die koreanische Lebensweise. Ich esse koreanisch, ich trinke koreanisch, ich gehe koreanisch saunieren und respektiere die Bräuche und Gegebenheiten. Anders, als die bekloppten Araber damals, die sich im Itaewon Land Djimjilbang (Saunahaus) mit Saunaklamotten in die heißen Becken setzten! Ich trete die Kultur nicht mit Füßen, sondern versuche, angepasst zu agieren und zu reagieren. Nun, wie auch immer — dass die Itaewon nun in arabischer Hand ist (das Itaewon-Land gibt es schon lang nicht mehr), daran kann ich nichts ändern und Itaewon ist sowenig Seoul, wie Seoul Korea ist. Das gesagt, bin ich nun froh, raus aus der Stadt zu sein.
Direkt nach der Schule geht es los.
Es ist warm, nettes Wetter, in weniger als 2 1/2 Stunden bin ich am Rest Hotel Daejeon. Liegt in einem Industriekomplex, kein Restaurant ringsumher. Nur ein 24h-Laden, ein GS25, liegt direkt gegenüber dem Hotel. Also eine „Tankstelle ohne Benzin“, 24h auf, mit allem, was man zum Überleben braucht, wenn auch etwas teurer.
Es gibt Ramyeon, Kaffee-Guinness und dann nicht mehr viel, denn mein Zimmer hat eine Sauna im Bad! Das heißt, schon bald nach Benutzung ist Kay so müde, dass nix mehr geht. Kein Blog-Schreiben, kein Tagebuch, kein nix – bin ja auch schon seit früh morgens auf den Beinen. Dann die Fahrt. Anstrengend, trotz der Einfachheit. Das Bett ruft früh nach mir.
Teil 2 : Tal, Gebirge, Tücher und Regen

Ich könnte ausschlafen, aber ein rückwärts fahrendes Betriebsfahrzeug holt mich mit seinem „biep biep biep“ aus dem Schlaf. Industriegebiet und ringsum wird gearbeitet. Nun, so ist das halt. Also ein Ramyeon aus dem GS25 zum Frühstück, dazu ein oder zwei Kaffees aus Flaschen.
Hatte mir bei „visitkorea.com“ diverse Ziele angesehen und steuere nun ein Tal an, das Hwayang Valley. Soll nice sein, schöne Spaziergegend. Der Weg dahin ist schonmal klasse!
Bin da und es haut mich jetzt nicht vom Hocker. Nur wieder ein anderes Tal, allerdings mit hölzernem Weg, die Flussseite begleitend. Ich mache ein paar Fotos und es gibt sogar ein Tuch mit Karte! Ansonsten gibt es nicht viel mehr. Jetzt hier 40min hin und dann wieder 40 min herzulaufen, danach ist mir nicht.














Also auf, Richtung Süden! Im Songnisan werde ich zwar heute nicht mehr wirklich wandern können (meine Wanderschuhe habe ich tatsächlich zuhause vergessen!), aber ich war ja schonmal da und jetzt möchte ich einfach nur Tücher abstauben. 🙂 Die Fahrt dahin ist schön, wieder kleine Strecken, kleine Straßen. Angekommen sehe ich, wo ich hier bin: Genau da, wo ich mit Jaehan vor ein paar Jahren Mörserchen und Stößel einkaufen war, nach unserem Tempelstay (wonach es nach Suanbo ging damals). Tücher gab es gleich am ersten Shop, alle Farben einmal, bitte! 😀 Es ist megavoll hier, alle Zufahrtsstraßen haben Staus, nix wie weg hier!



Auf zur Festung! Unterwegs zieht sich alles zu, es beginnt zu regnen und es wird kälter. Pläne ändern ist kein Problem, da die Festung praktisch auf dem Weg liegt und sich nur ein paar Kilometer vom Hotel befindet. Bei der nächsten Gelegenheit halte ich an, um zu essen. Der Regen geht jetzt erst richtig los. Ich bestelle Galbi-Tang (Rindfleischsuppe) und weil das nicht reicht und es eh noch regnet, gleich noch ein Mulnengmyeon dazu. Als ich fertig bin, regnet es immer noch. Ich fahre nur zur 700m entfernten Tankstelle und bin schon völlig durchnässt! Und dannoch „self“-Service, d.h., man muss sich selbst mit Kreditkarte durchwurschteln an der Anzeige. Bekomme es aber auf Anhieb hin und fahre dann die restlichen 8km durch den Regen zum Hotel.




Völlig durchnässt, aber mit der Gewissheit eines heißen Saunaerlebnisses, komme ich am Hotel an. Kein Restaurant, Billigessen nur, Sauna, Dosenbier, kein Blog, kein Tagebuch, keine Recherche, kein Videoschneiden, einfach nur Bett. Aber ich habe Tücher! Die hatte ich damals bei Korea 1.0 sporadisch gesammelt und sie hatten sich bewährt, als mein Kopfhaar verschwand. Jetzt muss aus jedem Nationalpark jede Farbe her! 🙂 Aber es müssen Tücher mit Wanderkarten sein! Ob Koreanisch oder Englisch, ist dabei egal. Nach diesen Karten kann man tatsächlich wandern!.Es gibt sie teilweise auch für Provincial Parks, die kleinen Geschwister der Nationalparks.


Teil 3: Festungsmauern, Sumpfwege und 360° Walk auf 360° Brücke

Eine ruhigere Nacht, immer wieder von dem gleichen Mädchen geträumt! Nein, Kay, nicht real… Meine technischen Geräte spinnen, laden nicht oder nicht richtig, Handy ist nur auf 23% nach einer Nacht an der Leitung. Hmm…
Gegen 11 komme ich los. Zumindest bis zum Roller. Kein Schlüssel da! Im Zimmer vergessen, wieder hoch. Kein Schlüssel da! Wieder runter, Rucksack komplett ausgekramt, Koffer auch. Kein Schlüssel da! Dann muss er DOCH im Zimmer sein! Ist er aber nicht. Hab alles durchsucht, sogar den Müll. Ich werde den doch nicht in das Rollerfach gepackt haben gestern? Ich versuche, eine Hand zwischen Sitz und Fach zu bringen – kein Durchkommen. So ein Mist! Seit nun fast einer halben Stund schwitze ich hier. Muss ich das jetzt mit Gewalt aufbrechen? Ich gehe zur Rezeption in der Hoffnung, dass ich den Schlüssel vielleicht habe fallen lassen und er abgegeben wurde. Die Frau an der Rezeption verneint, aber sie hat mich nicht richtig verstanden. Denn mein Blick fällt auf etwas links von ihr – auf meinen Schlüssel — da ist er! Mann, KAY!
Ab jetzt kommt der Schlüssel immer in die gleiche Hosentasche! Das war eben ein Überbleibsel-Akt meines ehemaligen Chemo-Brains. Obwohl ich den Schlüssel gar nicht verlegt hatte (muss beim Reingehen vom Regen ins Hotel wohl irgendwo rausgerutscht sein), konnte ich mich aber auch nicht wirklich erinnern, wann ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Routinen einhalten, Kay!
In weniger als einer halben Stunde bin ich an der Festung. Sangdangsanseong (Sangdang Festung) heißt sie. Ich habe keine Wanderschuhe eingepackt. Das ist schon in Seoul passiert. Besser in Motorradstiefeln, als in Halbschuhen. Sagt das heute noch irgendwer: „Halbschuhe“?
Laut Navi und Erklärung bei visitkorea ist das hier ein Rundweg, ca. 1h Gehzeit. Zu lang für einen 360°-Walk. Es geht bergauf. Nach 70 Stufen höre ich auf zu zählen, es geht steil hinauf zum ersten Tor. Es ist kaum etwas los, kaum Menschen hier, nur das ein oder andere Pärchen schafft es auch hier hoch. Zwei Wege führen hier oben von Tor zu Tor, einer direkt auf der Festungsmauer, der andere, etwas tiefer gesetzt, für die, die nicht schwindelfrei sind. Denn es geht richtig steil runter an der Mauer. Alles ist gepflegt, dennoch ist der Weg nicht ohne. Da bekommt man an der einen oder anderen Stelle schonmal Bauchkribbeln! Und die Aussicht! Allein dafür hat sich der Weg schon gelohnt! Die Wanderstille wird nur durchbrochen von Kampfjets und Armeehubschraubern, die gelegentliche Übungen durchführen.





Immer wieder muss ich innehalten, tief Luft holen und mich vergewissern, dass das gerade real ist. Alles perfekt, das Wetter, diese wunderbare Aussicht, die Fernsicht, die Stille, die wenigen Menschen. Zwei alte Männer schlendern, in eine leise Unterhaltung versunken, gemütlich auf dem unteren Weg an mir vorbei. Ein paar 360°-Aufnahmen, weiter gehen. Ich höre Kuckucks und andere Vögel. Bleib hie und da einfach mal stehen oder sitzen. Ich könnte den ganzen Tag hier verbringen. Gelegentlich stehen Info-Tafeln am Wegesrand, sogar auf Englisch. Man kann sich koreanische Geschichte hier sehr gut vorstellen. Gedanklich ein paar Filmkostüme hinzugefügt, entsteht ein eigenes Historien-Kopf-Drama.







Ich überhole die beiden Männer. Habe ich da eben ein „togil (deutsch)“ gehört? Ich grüße und der ältere fragt mich, woher ich käme. „Ah, Deutschland! Ich habe lange in Frankfurt gelebt. Hatte ein koreanisches Restaurant. Aber jetzt bin ich in Pension. Du kommst aus der Nähe von Wolfsburg? Ah, Volkswagen…“ Die Welt ist klein.
Nach etwas mehr als einer Stunde habe ich die Festung umrundet. Jeden Schritt auf der Mauer.
Am Fuße der Mauer befindet sich das Sangdangsanseong Fortress Nature Madang, so eine Art Biotop-Lehrpfad. Gestaffelt wie Reisfelder, aber mit mehr natürlicher Tier- und Pflanzenwelt. Ich mache einen 360°-Walk. Der erste heute. Mein Problem, was ich noch klären muss, ist, wie ich diese neuen 8K-360°-Videos schneide. Mein Magix gibt das nicht mehr her, das kann nur 4K…







In diesen Provincialpark, den ich mir rausgesucht hatte, schaffe ich es nicht mehr heute, nächster Stopp Gyeryongsan National Park. Keine Ahnung, ob ich schonmal hier war, aber ich will TÜCHER! 😀 Angekommen nach ca. einer halben Stunde stelle ich fest, wie nice das hier ist. Bei weitem nicht so überlaufen wie der Songnisan! Und es gibt genug Shops, Cafés, Motels, Hotels und 24h-Läden. Und es sieht echt schön aus hier – hierher muss ich nochmal kommen! So weit weg von Seoul ist es ja nicht.
Da ich aber noch nach Sejong will, kaufe ich nur die Tücher und zische gleich wieder ab. Die Sonne steht schon tief.


Sejong ist eine Stadt vom Reißbrett. Sie gab es 2011, als ich meine erste Koreazeit beenden musste, noch gar nicht. Sie entstand 2012, um verschiedene Ministerien und Verwaltungen aus Seoul rauszuholen. Korea. Zack! Neue Stadt! Sejong, wegen des alten Königs (der das Hangul, das korean. Alphabet, erfunden hat). Hieß vorher Yeongi, das Gebiet hier. Geplant ist, die gesamte Regierung hierher zu verschieben. Und ich muss sagen, es ist wie in Amerika: Du kommst auf einer Straße, siehst Hochhäuser einer Skyline und fährst hinein. Straße, Brücke, Skyline, drin! Supermodern alles, natürlich, Koreas „Smart City“. Seoul ist ca. 120km entfernt.

Aber die Stadt ist es gar nicht, was mich interessiert. Es ist vielmehr eine Brücke, die so in ihrer Art einzigartig ist. Denn sie ist rund! 360°-Brücke mit tollen Aussichten, so „visitkorea.com“. Und ja. Es stimmt. Alles!











Natürlich mache ich einen 360°-Walk. Eigentlich wollte ich zwei machen, denn in der Dämmerung soll es noch schöner aussehen. Aber die Sonne, die vorhin im Gebirge so tief hing, hängt jetzt hier, im flachen Land, auch wieder tief, gibt aber noch Wärme ab. Da es sehr windig ist, bleibe ich nicht viel länger. Obwhl es schön hier ist! Auch der Park und alles drumrum. Aber auch, wenn es nicht mehr weit zum Hotel ist – ich möchte gemütlich und ohne zu frieren zurückfahren.
Mein Navi gibt mir ein, zwei Restaurant in der Nähe meines Hotels an (2-3km vom Industriegebiet entfernt), aber als ich ankomme, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Bunte Gegend, Restaurants, Noräbangs (Karaoke-Schuppen), Cafés, PC-Bangs (PC-Spielhallen), Normalvolk und Luxusautos, der ganz normale koreanische Wahnsinn! Und genug Auswahl an Speisen. Gut gesättigt geht es zurück zu Hotel und Sauna.





Teil 4: Reiher, Reisfelder und Serpentinen (Cheongju – Ichon)

Zwar gibt es kostenloses Frühstück im Rest Hotel, aber mir ist nicht nach Toast, Butter und Marmelade. Gegenüber im GS25 hat man bessere Auswahl. Außerdem hat man dort an den Holztischen mehr Platz. Platz zum Planen der Reise. Führe ich direkt, wäre ich nach 1 1/2 Stunden schon da. Das wäre erstens langweilig und zweitens zu früh. Einchecken kann man erst um 15 Uhr. Also kleine Straßen rausgesucht, zwei- und dreistellige am besten. Da fährt man über Dörfer und hat nur den lokalen Verkehr.
Eine schönere Fahrt hatte ich bisher in Korea wohl noch nie – das Wetter spielt mit, ich halte oft an für Fotos oder auch nur, um mir die Landschaft „reinzuziehen“. Oft murmele ich „wie wunderschön“. Das ständige Langsamfahren und Anhalten hat seinen Preis – der Roller überhitzt. Halte ich eben an. Mal so 20 min an einem Damm und dann geht es weiter. Bin aber gewarnt. Sollte es wärmer werden (Sommertour!), sollte genügend Kühlwasser vorhanden sein und es möglichst keine Staus geben!
Ich fahre durch Reisfelder, beobachte Tiere und Kampfflieger, fahre über Speedbumps und Serpentinen. Aber nicht so steile und ewig lange wie im richtigen Gebirge, aber genau richtig, um nach den 250-300m Höhe auf der anderen Seite wieder auf Reisfelder zu schauen. Wunderschön!
Alles geht gut und ich komme unbeschadet und glücklich am Hotel an. Nach dem Hinweis auf meine „Benifits“, also den Sauna- und Getränkgutscheinen, bekomme ich diese und begebe mich in den 32sten Stock. Der Ausblick ist „naja“, da man eigentlich direkt auf ein gegenüber liegendes Hochhaus schaut. Gut, „Seeblick“ war den günstigeren (!) Zimmern in der Beschreibung vorbehalten. Nach Lage der Dinge (dieses Haus ist auch ein Wohnhaus) sind hier aber eh alle Zimmer gleich. Da braucht es wohl einen Anreiz für die Zimmerauswahl. Etwas dreist, dann so viel mehr dafür zu verlangen. Nun ja, ich will nicht meckern, denn wenn ich mich auf den „Balkon“ setze (eigentlich nur eine abgeschlossene Zimmererweiterung), kann ich etwas Landschaft sehen. Und ich hab ja die Gutscheine.












Abends in der Hotelgegend










Teil 5: Heimfahrt – Chemobrain und light Streetfighting

Das Hotel bekommt in der Bewertung von mir für Sauberkeit 5 Sterne, Personal 5 Sterne, Preis-Leistung 4 (2x Sauna-Gutscheine und 2x Americano for free, komplettes Appartment), für die Lage 4 Sterne, für die Aussicht 1 und für die Zimmerbeschreibung 2. Ich bin sicher, dass das Zimmer, wie ich es hatte, auch auf der anderen Seite zu finden wäre. Dafür wäre der Aufpreis dann auch gerecht gewesen. Keine Sterne vergeben kann man für die Umstände. So hat die Baustelle direkt neben bzw. unter meinem Zimmer schon zu einem frühen Wecken geführt. Sehr laute, große Mengen Schutt wurden hier irgendwo abgeladen – das war echt nervig. Musste das Fenster um 6 Uhr zumachen, was dazu führte, dass durch den direkten Morgensonnenschein das Zimmer sehr schnell warm wurde. Hab gar nicht erst geduscht, bin gleich auf die andere Straßenseite zum Seolbong Spa Land, nochmal kostenlose Sauna genießen. Habe mir die Ausgabe von 15.000 Won gegönnt für den Friseur, der mich erst gar nicht „bearbeiten“ wollte. Bin auch nicht ganz glatzig, aber schön gleichmäßig 1mm gestoppelt 🙂
Zweiten Americano abgeholt und Blog geschrieben, im Café geht das irgendwie besser als zuhause. Mal eben aufs Klo, iPad, beide Handys, Kabel, Kaffee, Tasche, Beutel, alles liegen gelassen, bin gleich wieder da. In Korea kommt nichts weg. Ich liebe es! Muss ich mich in Deutschland erst wieder dran gewöhnen.
Gleich geht es heim, laut Navi sind es nur 66km. Kommt mir soweit weg von hier vor. Alles weniger hoch (mein Hotel und dieser Häuserblock mal ausgenommen) und das Vergnügungs-, Einkaufs- und Futterviertel sind eins und liegen auf wenige Straßen verteilt. Auch ist das gar nicht mehr richtig Ichon hier, man findet immer wieder den Namenszug „Changjeon“.
Schaun wir mal, wie entspannt die Heimfahrt wird.
Ich hab es wieder getan! Diesmal in echt. Bzw. erstmalig getan: Schlüssel im Roller! Weil ich zwar nach dem ersten (Beinahe-)Pech auf die gute Idee kam, den Schlüssel IMMER an die gleiche Stelle zu packen – nämlich in die rechte vordere Hosentasche -, aber kurz vor Abfahrt wegen der Wärme die Hose auszog und in den Roller gelegt hatte! Das Glück: Ich brauche nicht lange suchen, denn ich weiß ja, wo der Schlüssel ist: In der rechten vorderen Hosentasche! Aufgabe ist nun, die Hose aus dem Fach zu ziehen, ohne dass sie reißt. Ich erwische einen Zipfel der Hose mit zwei Fingern und schaffe es, sie herauszuziehen. Gut, dass ich weiß, wo ich suchen muss! Mach mal jemandem klar, der nichts von „Chemo-Brain“ weiß, dass das halt nicht nur einfache Vergesslichkeit ist, sondern ein Überbleibsel vom damaligen Dauerzustand! Ab und zu betrifft es mich doch wieder. Nur Routinen helfen. Wie damals in Kairo der Hausschlüssel an den Haken, die Schultasche immer auf dem Stuhl, die Fernbedienung immer im gleichen Regalfach. Unwichtiges oder scheinbar Unwichtiges wird sonst schnell gelöscht. Ich bräuchte ein Denkarium, das die wirklich unwichtigen Dinge aufnimmt.
Hätte ich den Job in Seoul trotzdem bekommen, wenn das die Chefetage gewusst hätte? Disqualifizierte mich das? Die Frage, ob mich meine Krankheit noch irgendwie beeinflusst, kam ja auf im Bewerbungsgespräch. Laut Behindertenbeauftragtem hätte ich sie nicht beantworten brauchen, tat es aber. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht den Eindruck, ich lügte. Ja klar, ich wollte den Job! Aber im täglichen Leben dachte ich bei „Beeinträchtigung“ eher an Ausfalltage, Energiemangel, Depressionen oder sowas. Und davon hab ich ja glücklicherweise nichts. Zumindest nicht insofern, dass es meine Arbeitskraft beeinträchtige. Ein paar Leute, die mehr über meinen Hintergrund wissen, können das aber einordnen und geben mir zustimmende Kraft.
Oh, abgeschweift.
Nach Hause.
20 Minuten kann ich dem Navi abknöpfen, komme ganz gut durch. Das Streetfighting ist weniger anstrengend, nur kurz vor der Banpo-Brücke gibt es Stau. Fahre untenlang, der untere Teil der Banpo-Brücke (sie ist zweigeschossig) heißt Jamsu-Brücke (submerged/untergetauchte Brücke – was sie bei Hochwasser auch stets ist) und ist weniger stark befahren. Geheimtipp! Immer da lang fahren!
Zuhause erwarten ich Coupang-Tüten (Shirts und Teile für den Roller) und meine Couch. Aus 20min werden 1h und 20min, aber das ist okay. Jetzt bin ich fit für die Itaewon. Kein Partying, kein Besäufnis, sondern schön in Ruhe Blog schreiben und die guten Vibes genießen!





Dass meine ID-Karte noch im Golden Planet Hotel liegt, weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht…
One response
Sehr schön geschrieben ! Erst hatte ich Angst ,weil der Bericht sooo lang war ,aber er war kurzweilig ! Und am Ende ist ja auch alles gut gelaufen ! Prima !!!